Der Balkan, Teil 3

Der Balkan, Teil 3

Der Balkan Teil 3: Auf nach Albanien

Der erste Meilenstein, nämlich die Ankunft in Thessaloniki, rückt immer näher. Auf dem Weg dorthin bin ich in nur einer Woche gleich in vier Ländern unterwegs…

28.08.2015, Blace – Srebreno, 104 Kilometer
29.08.2015, Srebreno – Petrovac, 101 Kilometer
30.08.2015, Petrovac – Shkoder, 70 Kilometer
31.08.2015, Ruhetag in Shkoder

Disney-Land

Schon die Tage vorher war es teilweise schwierig einen geeigneten Platz zum Übernachten zu finden. Die Küstenstraße klettert regelmäßig die vom Meer aus steil ansteigenden Felswände hoch und bleibt dann auch kilometerlang dort. Links geht es nur noch weiter nach oben, rechts steil nach unten, das Meer immer in Sicht-, nie in Reichweite. Zum Mäusemelken wenn man abends kaputt und verschwitzt noch gerne etwas Wasser an seinen Körper lassen will. Und einen ordentlichen Platz für das Zelt gibt es so auch nicht. Es sei denn man hat Lust, es auf einem der kleinen Rastplätze, direkt an der Straße aufzuschlagen.

Von Blace aus fahre ich Richtung der Grenze zu Montenegro, seit Tagen kämpfe ich mit der Hitze, den nie enden wollenden Anstiegen und dem Gegenwind. Der ursprünglich geplante Ruhetag nach meinem Geburtstag hat auch nicht die erhoffte Erholung gebracht, ich bin mittlerweile richtig im Eimer. Auf dem Weg Richtung Dubrovnik gehören auf einem kleinen Teilstück der Küste nur noch die davor liegenden Inseln zu Kroatien, folgt man der Küstenstraße auf dem Festland so fährt man auf einer Länge von maximal 10 Kilometern durch Bosnien Herzegowina, kurz hinter der bosnischen Stadt Neum landet man dann wieder in Kroatien. Ich will an diesem Tag auf jeden Fall bis Dubrovnik, es soll dort eine schöne historische Altstadt geben. Wenn ich rechtzeitig da bin kann ich mich ein bisschen umschauen und dann eventuell dort in der Nähe etwas zum Schlafen finden. Gegen Mittag habe ich erst 45 Kilometer zurückgelegt, ich bin einfach irgendwie platt und es läuft nicht rund. Bei der erstbesten Gelegenheit, ich entdecke von der Straße aus einen Weg, der zu einer kleinen Bucht herunterführt, schiebe ich das Fahrrad zum Meer, suche ein schattiges Plätzen und lege mich dort nach einer kurzen Bad aufs Ohr. Ich bleibe lange dort um der größten Mittagshitze zu entgehen und so komme ich erst in der Dämmerung in Dubrovnik an. Im Vergleich zu den kleineren Dörfern die ich bisher an der Küste durchquert habe ist hier richtig der Teufel los. Das hat fast schon Großstadt-Qualität. Stinkende Qualmwolken ausstoßende Busse kämpfen mit hupenden Taxis um ihren Platz auf den engen gewundenen Straßen, Rollerfahrer flitzen jede Lücke nutzend dazwischen durch. Aus einem Durchgang in der Stadtmauer, offensichtlich einem der Zugänge zur Altstadt, strömen Menschenmassen. Puh, ob ich mir das jetzt noch geben muss, ich will eigentlich nur noch schlafen. Ich schaue mir das Treiben erst einmal ein bisschen an während ich mir ein Eis gönne und eine Postkarte für meine Freundin besorge. Na gut, dann mal rein ins Getümmel.

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Die Altstadt Dubrovniks, die im 7. Jahrhundert gegründet wurde, liegt direkt an der Adriaküste und ist umschlossen von der am besten erhaltenen Stadtmauer Europas. Sobald man durch das Tor in der Stadtmauer das Innere der auf der Liste des UNESCO-Weltkulturerbe stehenden Altstadt betritt verebbt der Verkehrslärm, in den schmalen Gässchen fahren weder Autos noch Motorroller. Dafür schieben sich hier die Touristenmassen zu Fuß vorbei an zahllosen Cafés, Restaurants, Eisdielen, Süßwarenläden und Souvenirshops, die in Kombination mit der mittelalterlichen Kulisse eine merkwürdige Disney-Land Atmosphäre erzeugen. Ich irre ein bisschen durch die Gassen, immer noch unschlüssig ob ich mich nun hierauf mal ein- und mir ein wenig Zeit lassen soll, aber ich bin einfach zu müde, es ist mir viel zu voll hier und es wird bereits dunkel. Hier kann ich auf keinen Fall übernachten. Raus hier.

Crazy German Guy

Um von Dubrovnik zurück auf die Küstenstraße zu kommen, muss ich mich erstmal wieder einige Höhenmeter nach oben kämpfen. Ein deutsches Pärchen, die mit dem Tandem unterwegs sind, werden auf mich aufmerksam und helfen mir den Weg zu finden. Wir reden noch lange, tauschen uns über Erlebnisse und Ausrüstung aus. Zurück auf der Straße fahre ich kurz rechts ran um zu verschnaufen, außerdem stehen da gerade zwei Jungs am Straßenrand, einer von ihnen hält ein Pappschild mit der Aufschrift „Montenegro“ in die Luft. Ich biete den beiden scherzhaft an, auf meinen Gepäckträger aufzusitzen. Will schließlich auch dahin. Scheint ihnen aber nicht komfortabel genug zu sein. Tja, Pech gehabt, dann wartet doch hier bis ihr schwarz werdet. Die beiden kommen aus Polen und wollen trampend weiter bis Athen. Wir unterhalten uns gerade einmal drei Minuten da hält mit quietschenden Reifen ein altes, schaukelndes Wohnmobil mit britischem Kennzeichen neben uns. „MONTENEGRO???“ brüllt es aus dem Beifahrerfenster, zwei Dosen Bier im Getränkehalter. „YEAH“ brüllen die beiden Jungs zurück, „Good luck, crazy german guy!“ wünscht mir noch der eine, dann springen sie ins Wohnmobil, rauschen davon und ich bin wieder allein.Beide Begegnungen, die Tandem-Besatzung und die trampenden Polen, sollen mir später auf meiner Reise durch völlig unwahrscheinliche Zufälle noch einmal in Erinnerung gerufen werden…

Lange Tage

Auf der Karte hatte ich mir zum Übernachten als nächste Gelegenheit nach Dubrovnik die Gegend um Ploce ausgeguckt. Die erste Möglichkeit, bei der die Küstenstraße in etwas flacheres Gebiet zurückführt. Ich fahre schon seit einer knappen Stunde in der Dunkelheit, was mir gar nicht gefällt. Als ich nach Ploce reinfahre wird mir schnell klar, dass das keine gute Wahl war. Viele andere Reisende halten Intuition und Bauchgefühl bei solchen Unternehmungen für sehr wichtig. Hier in Ploce sagt mir mein Bauchgefühl eindeutig „Nein.“ Düster dreinschauende Gestalten, halb verfallene Häuser, Müll. Ich fahre weiter, nach noch mal 10 Kilometern finde ich endlich einen Platz. Es ist 21:30 Uhr, ich bin seit 14 Stunden unterwegs. Eine provisorische Dusche aus dem 5-Liter Wassersack muss trotzdem noch sein. Egal, wie sehr man sich auch durch widrige Umstände bestraft fühlt, irgendwie wird man doch immer für seine Mühen entlohnt. Am nächsten Morgen fahre ich noch im Sonnenaufgang über einen Hügel und dahinter weitet sich eine Ebene, auf der vereinzelte Tannen stehen, alles liegt noch im Nebel und zu dieser Tagesszeit wirkt die Szenerie wie eine verwunschene Märchenlandschaft. Einzigartig.

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Ohne Wörter

Kurze Zeit später fahre ich über die Grenze nach Montenegro. Die Beamten werfen nur einen kurzen Blick in meinen Pass, hauen den Stempel rein – der erste Einreisestempel auf dieser Reise – und winken mich durch. Es ist wieder unfassbar heiß und ich halte an der ersten Tankstelle nach der Grenze. Begeistert stelle ich fest, dass hier ne Dose Cola nur 70 Eurocent kostet. Da schlage ich doch sofort zu. Draußen habe ich schon ein anderes bepacktes Fahrrad gesehen und schaue mich kurz im Kassenraum und dem angegliederten Café um, ob ich den dazugehörigen Radler entdecke. Direkt winkt mich ein Mann zu sich herüber, der kauend in der hintersten Ecke an seinem Laptop sitzt. Was will der denn jetzt? So sauber und entspannt und mit seinem Macbook sieht der eher Business-mäßig aus. Ich gehe rüber und er bedeutet mir mit Gesten mich zu setzen und bietet mir Wurst und Brot an und zeigt auf das Fahhrad, was draußen parkt. Okay, also doch Radreisender. So kann man sich täuschen. Igor kommt aus der Ukraine und macht eine Balkan-Rundreise. „No English“ sagt er und zeigt mir ein paar seiner Fotos, die er auf seiner Reise bisher geschossen hat. Ich versuche ihm meine Route Richtung Kapstadt zu erklären. Wir verständigen uns leidlich mit Gesten und per Google Translate, aber nach 10 Minuten steht da „Shall we go together?“ im Display. Na klar!

Nach den langen und anstrengenden Tagen bin ich froh Gesellschaft zu haben, auch wenn die Sprachbarriere nicht gerade tiefgehende Gespräche zulässt. Man gewöhnt sich schnell daran, und die Reise-alltäglichen Absprachen lassen sich auch ganz einfach mit ein paar wenigen Worten Englisch, Gesten und dem Ohne-Wörterbuch, was meine Eltern mir kurz vor der Reise geschenkt hatten, regeln. Man zeigt einfach auf die im Buch abgebildeten Gegenstände, wenn einem die Wörter fehlen.

Die Schlafplatz-Suche gestaltet sich dennoch nicht einfacher. Wir sind wieder bis spät abends im Dunkeln unterwegs, finden diesmal aber den fast perfekten Spot. Direkt am Strand, das erste Mal sogar ein richtiger Sandstrand, nicht nur Kies wie in Kroatien. Die Bars haben alle schon zu. Jeder steuert aus seinen Vorräten etwas zum Abendessen bei, ich habe Suppe und Nudeln, Igor holt eine eine Dose Bohnen hervor und noch etwas Brot. Und danach gibt’s noch einen Tee. Von einer der Bars borgen wir uns zwei Strand-Liegen und unser Nachtlager ist perfekt.

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Welcome to Albania

Der an der Küste gelegene Teil von Montenegro ist nicht groß und am nächsten Tag steuern wir schon auf die Grenze zu Albanien zu. Gegen Mittag stoppen wir an einem Supermarkt mit Café, hier gibt es WiFi und wir können kurz Mails und Facebook checken. Igor zeigt auf sich und sagt „Me, Icecream“ und verschwindet im Supermarkt. Ich denke kurz ebenfalls über diese Option nach, sage mir aber ich sollte meinen Zuckerkonsum mal etwas reduzieren. Mit den ganzen Keksen und der Cola immer zwischendurch werde ich langsam aber sicher zum Zuckerjunkie und die Diabetes winkt schon freundlich aus der Ferne. Als Igor wiederkommt knallt er einen 1-Liter-Pott Eis auf den Tisch. Den wird er wohl nicht alleine essen. Ergeben hole ich meinen Löffel von draußen aus meiner „Küchen-Tasche“.

Je näher wir der albanischen Grenze kommen, desto mehr Müll liegt am Straßenrand herum. Darin wühlen streunende Hunde und Katzen. Das erste was wir sehen nachdem wir die Grenze passiert haben sind drei große Müllcontainer, bis oben hin voll, daneben weitere Berge von Müll, soweit das Auge reicht. „Welcome to Albania“, sagt Igor.

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Kaum haben wir die Grenze überfahren ändert sich aber auch die Atmosphäre. Kinder johlen und winken wenn wir an ihnen vorbeifahren, Bauern auf ihren Traktoren feuern uns an und alle Nase lang wird uns von hier und dort ein freundlicher Gruß zugeworfen. Das vermüllte Bild aber bleibt, alles wirkt deutlich ärmlicher als bisher, man sieht viele entweder völlig verfallene oder gar nicht erst fertig gestellte Häuser. Albanien ist das erste Land auf meiner Reise was sich tatsächlich nicht mehr europäisch anfühlt.

Die Landschaft wird nach und nach etwas ebener, endlich keine Berge mehr! Gemeinsam fahren Igor und ich bis nach Shkodra, die erste größere Stadt nach der Grenze und stoßen dort noch mit jeweils einem Liter Joghurt auf unsere gemeinsame Zeit an. Igor will von hier wieder zurück Richtung Heimat, ich will weiter nach Süden, also trennen sich hier unsere Wege wieder. Über Facebook werden wir in Verbindung bleiben.

Shkodra gefällt mir irgendwie, ich glaube hier bleibe ich mal nen Tag zum Ausspannen.

4 Gedanken zu “Der Balkan, Teil 3”

  1. Hallo Dominik,
    wie immer haben wir mit großem Interesse Deinen Reisebericht gelesen. Ein Wahnsinnstempo hast Du drauf! Mach mal 2 Tage Pause und dann geht es weiter. Wir sind gespannt auf jeden Post von Dir. Weiter so!
    Liebe Grüße
    die Familie Essert

  2. Wow! Wie immer super interessant! Mehr davon – obwohl ich weiß wie hart das ist unterwegs noch Texte zu schreiben 🙂

    Es lohnt sich aber – für uns und für dich später auch 🙂

  3. Hi Dominik, schön wieder von Dir zu lesen! Ich bin gespannt auf den unwahrscheinlichen Zufall von dem Du berichtet hast! Und das Du mal n Durchhänger hast ist doch ganz normal, überlege welche gewaltigen Anstrengungen Du bereits vollbracht hast! Weiterhin ein gutes Bauchgefühl und tolle Reisemomente!

  4. Hey Dominik,

    Respekt vor deinem Tempo und dein Durchhaltevermögen, ich war diesen Sommer auch in Montenegro, allerdings mit wesentlich bequemeren Untersätzen. Krass, dass die Hitze immer noch so unerträglich ist. Und gute Plätze zum Campen habe ich da wirklich nicht entdeckt, hoffentlich hast du bald mehr Auswahl.
    Dir eine gute Passage nach Griechenland und dann eine gute Überfahrt! Bei dem Tempo bist du Weihnachten in Kapstadt…

    Grüße aus dem herbstlichen Köln

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